Bei den Muschelsucherinnen, Glückshexen und Emigranten

In einem weiten Bogen segeln wir bei leichtem Südwest-Wind von Baiona, an den Islas Cíes vorbei, hinein in die nächste Ria, die Ria Pontevedra. Weit hinten im ‚Trichter‘ liegt das kleine Fischerdorf Combarro in der Gemeinde Poio. Als wir die neue Marina erblicken, vergessen wir das Ankern. Schnell sind Fender und Leinen bereit.

Gestern haben wir Kolumbus zu unserem treusten Wegbegleiter gekrönt. Wir kennen schon einige Stationen aus seinem Leben. Nun kommen zwei weitere hinzu. Baiona war der Ort, wo Kolumbus nach seiner ersten Amerikareise Landfall machte und in Europa erstmals von seiner grossen Entdeckung berichtete. Combarro, so erzählt man uns augenzwinkernd, war sein Geburtsort. Wir verstehen! „O Dia de Colon“, das nahende Fest, braucht eine Hintergrundgeschichte.

Combarro ist für sich schon ein sehr malerisches Dorf in einer hübschen Umgebung. Die typischen Hórreos (Kornspeicher) und das Wechselspiel von Ebbe und Flut bieten unzählige Fotomotive (bei Sonnenschein!). Die für das Fest liebevoll aufgebaute mittelalterliche Kulisse versetzt uns erst recht in eine andere Zeit. Man ist geneigt, das Ganze als Touristenattraktion abzustempeln. Doch mit

  • den Leuten, die täglich im Watt nach Muscheln graben,
  • den Frauen, die seit drei Wochen jeden Abend zusammen sitzen und für das heilige Fest am 26. Juni Grünzeug schnipseln,
  • der Frau, die uns in ihrem Hauseingang den selbstgebrannten Schnaps verkauft und uns gleich noch zeigt, auf welcher Terrasse man die besten Muscheln isst,

gibt es wohl keinen Ort, wo das Fest authentischer wirken würde als hier. Selbst die tanzenden guten Hexen (Meigas) in den Souvenirläden gehören dazu. Wir nutzen die Gelegenheit und kosten die verschiedenen Spezialitäten, die feil geboten werden. So auch die Pimientos de Padron, wie Michi schreibt, eine Art kulinarisches russisches Roulette.  Jede 10te Paprikaschote ist superscharf, man weiss nur nicht welche. Komisch, wir landen keinen Volltreffer. Wir versuchen es weiter mit Queimada, einem zauberhaften Heissgetränk, das flambiert wird. Wir stehen immer noch und sind jetzt von allen bösen Geistern geschützt!

Noch eine letzte Essensgeschichte. An einem Abend haben wir Lust auf frischen Fisch. Wir geben uns Mühe, nicht all zu früh im Restaurant zu erscheinen. Trotzdem sind wir die ersten und bleiben die einzigen. Nicht so an der Bar. Dort feiert eine Männerrunde die Heimkehr ihres Emigranten. Der Emigrant, Lastwagenfahrer in Frankreich und zudem ein begnadeter Sänger mit tiefer, voller Stimme gibt ein Solo-Konzert während die anderen tanzen. Wir nehmen unsere Gläser und gesellen uns dazu.

Ich könnte nun noch von unserem kurzen Ausflug in die sehenswerte Altstadt von Pontevedra oder den bretonischen, englischen und irischen Crews, die wir getroffen haben, erzählen. Doch ich belasse es an dieser Stelle mit Dieters Spruch, der regelmässig kommt, wenn wieder mal etwas los war: „Es ist halt doch anders als auf den Inseln!“

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